„Besonderes Essverhalten bei Pflegekindern“, zu diesem Thema konnten alle Bereitschaftspflegeeltern in unserer regelmäßigen Gesprächs- und Fortbildungsrunde eigene Erfahrungen beitragen.
Die kleine Joline (alle Namen wurden geändert), die immer einen Teil ihres Hörnchens, das sie gerade beim Bäcker bekommen hatte, in einen ihrer Gummistiefel plumpsen ließ, damit sie etwas für „schlechte Zeiten“ hat. Oder Sven, der einfach nicht merkt, wann er satt ist und so lange isst, bis er erbricht, wenn die Bereitschaftspflegeeltern nicht aufpassen. Ganz anders Chiara, die nur isst, was sie kennt und schon gar nichts rotes; wenn Ketchup ihren Teller berührt hat, muss er ausgetauscht werden.
Schnell waren die drei wichtigsten Formen von Essstörungen benannt, das Horten von Nahrungsmitteln, der ständige Essensdrang ohne Sättigungsgefühl und die Nahrungsverweigerung. Fast alle Kinder – nicht nur Pflegekinder – entwickeln Eigenarten beim Essen, diese sind aber i. d. R. vorübergehend und gehören zu einer normalen Entwicklung.
Meist anders bei Pflegekindern. Schnell kam die Frage nach den Ursachen für die beschriebenen Essstörungen und zwei Gründe wurden vermutet.
Viele Pflegekinder haben eine Mangelerfahrung gemacht, kennen keine regelmäßigen Mahlzeiten, nur kalte Speisen, manchmal gab es am Ende des Monats gar nichts mehr. Was liegt bei einer solchen Erfahrung näher, als für „schlechte Zeiten“ vorzusorgen.
Ständiges Essen kann ähnliche Ursachen haben, kann aber auch – so vermuteten die Bereitschaftspflegefamilien sehr schnell – seinen Grund darin haben, emotionale Bedürfnisse auszugleichen; als Kompensation quasi. Wer kennt das „Frustessen“ nicht, in Stresssituationen oder bei Liebeskummer.
Auch die Verweigerung oder das zwanghafte Auswählen von Lebensmitteln kann einen ähnlichen Ursprung haben, sich z. B. nicht auf Beziehung einlassen zu können.
Im Alltag mit Essstörungen bei Pflegekindern umzugehen, stellt sich nicht einfach dar. Die meisten Familien haben bestimmte Regeln rund ums Thema essen, „Vor dem Essen gibt es nichts anderes mehr zu essen“, „gegessen wird nur zu den Mahlzeiten und am Tisch“, „alle fangen gemeinsam an“. Ob diese Regeln hilfreich sind, wurde in Frage gestellt. Jede Bereitschaftspflegefamilie ging mit dem Problem etwas anders um.
Aber auf die Frage „Was brauchen Pflegekinder?“ konnten doch einige gemeinsame Antworten gefunden werden. Verlässliche und regelmäßige Mahlzeiten sollte es geben; Obst und Gemüse sollte immer verfügbar sein, notwendige Grenzen müssen gesetzt werden, bevor das Kind erbricht; eine Mahlzeitenuhr kann gebastelt werden, damit das Kind die Regelmäßigkeit auch mit anderen Sinnen erfahren kann.
Und für Kinder, die Essen horten, gab es noch eine besondere Idee, die auch schon Anwendung gefunden hatte: eine Schatzkiste, die regelmäßig gefüllt wird und aus der nur das Kind etwas herausholen darf; die auch versteckt werden darf, damit das Kind sicher sein kann, dass es immer etwas zu essen hat. Meist wird der Vorrat gar nicht angetastet, denn es soll ja etwas für den Notfall da sein.