Wenn ein Kind innerhalb kurzer Zeit seine Eltern verlassen muss und nicht weiß, wie es weitergeht, dann ist dies eine Krisensituation und löst nicht selten einen Schock beim Kind aus. Dieser ist von außen nicht immer gut zu erkennen. Dass eine solche Erfahrung auch Jahre später ihre „Spuren“ hinterlässt, spüren Pflegeeltern häufig am Verhalten ihres Pflegekindes.
Aussage einer Pflegemutter zu Marion, 7 Jahre alt, seit fünf Jahren in der Familie:
„Ich habe etwas Interessantes festgestellt: Schwierige Phasen bei Marion, in denen wir sie nicht mehr erreichen können, wiederholen sich und dauern exakt drei Tage an. Danach ist das Kind wie ausgewechselt.“
Beschreibung eines Pflegevaters zu Daniela, 5 Jahre alt, seit drei Jahren in der Pflegefamilie:
„Ihr Gesicht ist starr, sie zeigt keine Mimik. Ihre Gestik wirkt gehemmt. Gefühle spiegeln sich nicht in ihrem Gesicht. Wenn eine Situation fremd ist, dürfen nicht zu viele Menschen um sie herum sein, es darf auch nicht zu viel geschehen, sonst bekommt sie Panik und schreit. Wenn wir Kleinigkeiten im Ablauf verändern, nässt sie wieder ein, bei Tag oder Nacht. Neuerdings beginnt sie, vor einem großen Spiegel Bewegungen und Gesichtszüge, z. B. Grimassen zu üben.“
Beide Kinder sind klinisch gesund.
(aus: Ich bin der Neue, von Werner Frieling)
Ein Kind in Bereitschafts- oder Dauerpflege aufzunehmen, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe und selbst sogenannten „Fachleuten“ fällt es nicht immer leicht, das Verhalten der Kinder richtig zu deuten. Das Phasenmodell von Frieling (Autor des Buches „Ich bin der Neue“) und Väthjunker ist hierbei sehr hilfreich.
Denn wenn wir das Verhalten der Kinder verstehen, können wir Handlungsstrategien entwickeln, die beruhigend und heilsam sind, das Kind stabilisieren und positiv auf das Zusammenleben in der Familie wirken.